BLICK INS HEUTE

„Schule immer wieder neu zu denken“ ist eine andauernde Herausforderung.

Diese Erfahrung verbindet uns, Eltern und Lehrer, seit der Gründung der Windrather Talschule. Wir wollen offen sein für die von jedem Kind neu gestellte Frage “Wie kann ich meinen Weg in die Welt finden?“ Dabei soll gelten: „Initiative hat Vorrang“. Die Eigenaktivität jedes Kindes wollen wir als Quelle seiner Entfaltung anerkennen und bestätigen. Lebensraum Schule – als Ort vielfältiger Begegnungen mit „Echtheit“ und „Ernstcharakter“, Lernen und Arbeiten im Alltag verbunden mit dem gemeinsamen Aufwachsen von Kindern mit und ohne Behinderung - soll zur Selbstverständlichkeit werden. Das Horchen auf die „Botschaft der Kinder“ soll das pädagogische Handeln bestimmen und als entscheidender Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft verstanden werden. 

Das Leben in der Schule ist davon geprägt, dass Inklusion sich als Aufgabe für alle Kinder stellt. Die Unterschiedlichkeit als Mädchen und Jungen, verschiedenste Begabungen, unterschiedliche soziale Herkünfte und die zunehmend individuellere Art der einzelnen Kinder müssen in der Gemeinschaft zum Ausgleich gebracht werden. Darauf sind der Tageslauf sowie Spielen, Lernen und Arbeiten abgestimmt.

Im Spiel, beim Lernen und bei der Arbeit wird - im Hinblick auf unterschiedliche und ungewöhnliche Begabungsprofile und die inklusive Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung - eine breite Differenzierung angelegt. Die immer wieder gestellte Frage nach dem individuellen Entwicklungsweg jedes Kindes sorgt für Offenheit, auch neue Formen des Lernens zu erproben. Kinder mit besonderen Lernfortschritten finden Herausforderung und Anregung durch individuelle Stoffangebote und Aufgaben. In den Räumen der ersten vier Kindergruppen gibt es keine Schultische. Bänke verwandeln den Raum von einer Arbeitsphase zur anderen: sie stehen im Kreis, als Tribüne, in Reihen, dienen mal als Tisch, mal als Hindernis oder als Klettergerüst und lassen sich schließlich leicht aus dem Weg räumen. Viele Lernprozesse finden in Bewegung statt.

Die Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) fordert, dass das 21. Jahrhundert im Zeichen bewusster Gesundheitsförderung stehen muss – „Salutogenese“. Schule bildet schon vom zeitlichen Rahmen her einen wichtigen Lebensraum für heranwachsende Menschen. Sie steht als Institution in besonderer Verantwortung. Die Windrather Talschule stellt sich dieser Aufgabe: Ein musikalisch-rhythmischer Tageslauf, friedenpflegende Prozesse der Gemeinschaftsbildung, altersgemäße Unterrichtsinhalte, sinnvolle Tätigkeiten, Stärkung des Selbstwertgefühls, biologisch-dynamisch produzierte Lebensmittel zu den Schulmahlzeiten, liebevolle Wärme in der Begegnung zwischen Kindern und Erwachsenen.

Die Windrather Talschule will eine „singende Schule“ sein – nicht nur am Tagesbeginn und zum Wochenschluss, sondern alles Schulleben – von der „Komposition“ der Förderangebote bis zur Raum- und Zeitgestaltung – soll durchklungen sein von einem künstlerisch-musikalischen Element, das alle Einzelheiten zum Ganzen verbindet.

„Anfänglichkeit“ als Fähigkeit, immer wieder Offenheit für „das Wunder des Kindseins“ (H. Köhler) zu schaffen, bedeutet, bereit zu sein, auch selbst immer wieder neue Anfänge zu wagen und alles Gewordene in Frage zu stellen, wenn die Entwicklung dies erfordert. Wir betrachten Veränderbarkeit als Voraussetzung dafür, dass organisches Wachstum in den sozialen Prozessen stattfinden und die Schule auch in ihren Strukturen wachsen kann. Für die Kinder sollen auf diese Weise immer wieder Freiräume entstehen, die es ihnen ermöglichen, in ihrer Art die Welt zu ergreifen.

Offen zu sein für alles Neue in der Begegnung mit den Kindern, aber auch im Zusammenwirken mit allen anderen am Schulleben Beteiligten, verlangt Übung. Das Auffinden des jeweils Erforderlichen benötigt Wachheit. Die  bildet daher die Mitte der inneren Arbeit in der Windrather Talschule. Nur wenn alles Eigenwollen, vorgedachte Konzepte und eigene Betroffenheiten schweigen, kann erwartet werden, dass im „sanften Willen“ (G. Kühlewind) ein Raum der Stille entsteht, wo in der Vergegenwärtigung des Lebens in der Schule, die ‚Botschaft des Kindes’ vernehmbar wird.